ANHANG

DIE RIBHU GITA

 

      Ribhu war ein großer Seher (rishi). Sein Name findet Erwähnung in manchen Upanishaden wie der Tejobindopanishad, der Narada Parivrajakopanishad und der Varahopnishad. Er steht in dem Ruf, göttliches Wissen direkt vom Höchsten Herrn selbst erhalten und es dann mehrere Schüler gelehrt zu haben, wie z.B. den Weisen Nidagha. Seine Belehrungen an ihn sind enthalten in der 'Ribhu Gita', die einen Teil des 'Siva Rahasya'  bildet. Wir haben eine Übertragung in einfache und leicht zu verstehende Tamil-Verse von Sri Lokanatha Swamigal, auch bekannt als Bhikshu Shastri. Diese Tamil-Fassung wurde oft vor Sri Bhagavan gelesen [Ramana Maharshi, Anmerkung d. Übers.] und Tena Pattis Rezitationen waren die inspirierendsten. Da Sri Bhagavan häufig darauf verwies oder daraus zitierte, findet die Ribhu Gita Erwähnung in allen Werken über Ihn.

     Eine Anekdote über die Übersetzung von Bhikshu Shastri ist erzählenswert. Tief beeindruckt durch den reinen Advaita der Lehren in dieser Gita, hielt der Übersetzer so standhaft an dieser glorreichen Doktrin fest, dass er die Wahrheit oder Wirklichkeit aller Phänomene leugnete, einschließlich der Götter selbst; er sagte, ihre Existenz sei nur so wahr wie die des Sohnes einer unfruchtbaren Frau, das Horn des Hasen und die Blumen am Himmel. Zu sehr gereizt durch seinen Atheismus, stellten die manifesten Götter den Übersetzer auf die Probe und er verlor das Augenlicht; erst als er Verse schrieb zum Lob des Herrn Nataraja, bekam er seine Sehkraft zurück. Als Wiedergutmachung für die Herausforderung, den Form-Aspekt (saguna) des Formlosen (nirguna) Göttlichen zu leugnen, musste er am Ende jedes der 44 Kapitel der Ribhu Gita einen Vers zum Lobe des Herrn Nataraja schreiben. Dies ist die Gita, auf welche Sri Bhagavan so häufig Bezug nahm.

- Zu den Füßen Bhagavans

 (T.K. Sundraseya Iyer)

15. April 1946, morgens

     Etwa um 8 Uhr kam Nagamma in die Halle und warf sich vor Bhagavan nieder, nachdem sie einige Male um die Halle herum gegangen war. Bhagavan sagte: "Ah! Du hast begonnen im Kreis zu gehen. Hast Du das von Ravanamma gelernt? Sie pflegte Runde um Runde zu drehen, bis ich sie eines Tages darauf ansprach. Wenn einer immer so im Kreis geht, denkt jeder, der hierhin kommt: 'Anscheinend ist es richtig hier im Kreis zu gehen', und fängt an, auch Runden zu drehen. Dann gehen alle Leute im Kreis. Schließlich ist es das rechte pradakshina, das Selbst zu umrunden, oder genauer, zu verwirklichen, dass wir das Selbst sind und dass in uns all die unzähligen Sphären sich drehen, um und um, wie beschrieben in der folgenden Strophe der Ribhu Gita (drittes Kapitel, 39. Vers).

-  Es folgt der Text in Tamil  -

Eine englische [deutsche] Übersetzung der Strophe lautet wie folgt:

 

Die Betrachtung, dass ich das vollkommen erfüllte, selige Selbst bin,
Ist das Streuen von Blumen in Verehrung.
Die Betrachtung, dass das Universum mit seinen Myriaden von Aktivitäten um mich kreist,
Bildet die vorgeschriebene Umkreisung.
Die Betrachtung, dass alles sich immer vor mir verneigen wird
Und ich mich niemals von jemandem verneigen werde,
Bildet für immer die Verneigung
Vor dem großen Lingam des Selbst.

 

     "Manche machen fortgesetzt eine Menge von namaskarams, z.B. jene Janaki, sie berührt unzählige Male mit ihrem Kopf den Boden bei ihren namaskaras. Sie geht verschiedene Male im Kreis. An jedem Fenster fällt sie nieder und macht mehrere namaskaras. Wie oft ich es ihr auch sage, sie hört nicht auf mit solchen Praktiken." Jemand warf hier ein: "Es scheint, sie ist Bhagavan seit ihrer Kindheit bekannt." Bhagavan sagte: "Ja, ja", und fuhr fort. "Andere kommen und fallen vor mir nieder, während ich mich fortbewege. Sie liegen da minutenlang ausgestreckt. Ich kann ihretwegen nicht stehenbleiben wegen meiner körperlichen Gebrechlichkeit. So gehe ich weiter und sage zu mir selbst: 'Nur wenn wir namaskarams machen, werden wir gesegnet. Schließlich ist wahres namaskaram nur das Aufgeben des 'Ich'-Sinns oder das Töten des Ego.'"

     Ich sagte: "Bhagavan selbst rät uns, zum Beispiel den Berg zu umrunden. Ich weiß, dass Bhagavan auch nichts dagegen hat, das Bild in einem Tempel zu umrunden. Es gibt hier Menschen, die den Glauben haben, Bhagavan zu umrunden sei so gut wie das Umrunden des Tempelbildes oder des Berges. Wie können wir etwas dagegen sagen?" Bhagavan antwortete: "Ich sage nicht, so etwas sollte nicht getan werden. Aber das beste Umrunden ist das Umrunden eurer selbst oder die bhava, die sich in den zitierten Versen ausdrückt. Die anderen pradakshinas werden nicht verurteilt. Der jnani wird, auch wenn er weiß, dass Meditation über das Selbst die beste Verehrung ist, an allen Arten von Verehrung teilnehmen zum Wohle anderer und als Vorbild für sie. In der Tat befolgt er vielleicht all die anderen Wege sogar korrekter und standfester als jene, die nur diesen Wegen folgen und nichts von jnana wissen. Darauf nehmen die folgenden Verse Bezug, auch aus der Ribhu Gita (Kap. 19.56)

 -  Es folgt der Text in Tamil  -

      Die Kern-Aussage ist: "Wenn der Guru sich auf dvaita bezieht, während er den Schüler advaita lehrt, ist dies nicht als seine wirkliche Lehre zu betrachten, genauso wenig wie man den Kummer von einem, der für das Weinen bezahlt wird, für wirklich halten sollte."

      Als Bhagavan den ersten oben angeführten Vers zitierte, ging ich das Buch holen, sodass er nachlesen konnte. Er nahm es in die Hand und öffnete es. Das Buch öffnete sich genau dort, wo die Passage steht. So etwas hat sich auch viele andere Male zugetragen.

- Tag für Tag mit Bhagavan

(Devaraja Mudaliar)

 

15. April 1946

     "Was ist gemeint mit pradakshina? Shankara hat gesagt: 'Wirkliches pradakshina ist ist die Meditation, dass Tausende von Universen um den Großen Herrn kreisen, das unbewegte Zentrum aller Formen.'

     "Dieselbe bhava (Idee) ist in mehr Einzelheiten in Tamil ausgedrückt durch den Autor der Ribhu Gita." Bei diesen Worten nahm Bhagavan das Buch, las darin und sagte uns Folgendes: "Oh Herr! Ich umrundete die ganze Welt, um dir pradakshina zu erweisen, aber du bist in Fülle überall. Ich werde dich verehren als 'kutastha akhila rupa' (unbewegte ganze Form der Welt). Das ist das einzige pradakshina für dich. Namaskar meint dasselbe. Das Aufgehen des Gemüts im Selbst ist namaskar und nicht der bloße Akt der Niederwerfung, wenn Du aufstehst oder dich setzt oder wenn du zu jener Seite gehst oder von dieser Seite kommst." ..... "Obgleich es für den Jnani keine Leiden und Vergnügungen gibt, tut er alles um anderer willen. Er ist wie jene, die sich an die Brust schlagen und laut weinen auf Befehl gegen eine verabredete Bezahlung. Das ist alles. Er wird nicht davon berührt", sagte Bhagavan.

- Briefe aus dem Sri Ramanasramam

(Suri Nagamma)

 

 24. April 1948

    "Die Ashtavakra Gita lehrt, wie die Ribhu Gita, über den Höchsten Zustand der Verwirklichung. Das bedeutet: als Janaka seinen Körper, seinen Geist und seinen Reichtum rückhaltlos dem Guru hingab, wurde er absorbiert in sein eigenes Selbst und ging in den Zustand von Samadhi ein. In anderen Worten: als er die Gita gelehrt wurde, sagte man ihm, dass jenes sein wirklicher Zustand sei und dass er gegründet bleiben könnte in diesem natürlichen Zustand."

     "Es ist dasselbe, was Vasistha dem Rama predigte, nicht wahr?" sagte ich. "Ja, das ist so. Aber im Vasistham steht es in der Form von Geschichten. Nur in dieser [Ashtavakra Gita] und in der Ribhu Gita wird die Natur des Selbst (Brahma svarupa) mehr in Einzelheiten verkündet", sagte Bhagavan.

 

25. April 1948

     Ein Herr aus Andhra, der gestern die Geschichte von Ashtavakra hörte, als Bhagavan sie erzählte, näherte sich heute Morgen dem Maharshi und sagte: " Als Sie gestern die Diskussionen zwischen Ashtavakra und Janaka wiedergaben, sprachen Sie die Ribhu Gita an. Was könnten die Gründe für die Entstehung dieser Gita sein?" "Oh, das. Die Initiation Nidaghas durch Ribhu Maharshi ist in sich selbst die Ribhu Gita", sagte Bhagavan. "Die Geschichte, wie Ribhu Nidagha prüfte, ist sehr interessant, nicht wahr?" sagte ich. Als er das hörte, bat der Devotee Baghavan, ihm diese Geschichte zu erzählen, was Bhagavan mit einem Lächeln tat.*

*Diese Geschichte ist in der Einleitung zu finden, S. 32-35

     "Ribhu erläuterte ihm [Nidagha] nochmals den Zustand der Wirklichkeit und lehrte ihn im Selbst zu verweilen. Diese Lehre ist die Ribhu Gita. In dieser Gita wird das Selbst und nur das Selbst in großer Ausführlichkeit behandelt." So sprach Bhagavan.

- Briefe und Erinnerungen

(Suri Nagamma)

 Gespräche Nr. 212

     Maharshi bemerkte:

Pradakshina (der Hindu-Ritus des Umrundens des Gegenstands der Verehrung) bedeutet:  "Alles ist in mir." Von der wahren Bedeutung des Aktes der Umrundung des Arunachala heißt es, er sei so wirkungsvoll wie das Umkreisen der Welt. Das bedeutet: die ganze Welt ist verdichtet in diesem Berg. Das Umkreisen des Tempels des Arunachala ist ebenso gut; und das Kreisen um sich selbst (d.h. sich um und um zu drehen) ist so gut wie Letzteres. So ist alles enthalten im Selbst. In der Ribhu Gita steht: "Ich bleibe fest, während Tausende von Universen in meiner Vorstellung entstehen und in mir rotieren. Diese Meditation ist das höchste Kreisen (pradakshina)."

 

Gespräche Nr. 310

     ...Ein Besucher: Es heißt, alles ist Brahman.

     M.: Ja, das ist so. Aber solange man denkt, etwas sei getrennt [von Brahman], ist es zu meiden. Wenn dagegen erkannt wird, dass alles das Selbst ist, braucht man nicht einmal 'alles' zu sagen. Denn alles, was existiert, ist nur Brahman. Es gibt nichts außer Brahman.

     D.: Die Ribhu Gita spricht von so vielen Objekten als unreal. Am Ende fügt sie hinzu, dass sie alle Brahman sind und damit real.

     M.: Ja. Wenn man sie als so viele sieht, sind sie asat, d.h. unwirklich. Wenn man sie dagegen als Brahman sieht, sind sie real, denn sie leiten ihre Wirklichkeit von ihrer Grundlage ab, Brahman.

- Gespräche mit Sri Ramana Maharshi

(Munagala Venkataramiah)

 

     Sri Bhagavan war kein Philosoph und es gab absolut keine Entwicklung in seinem Lehren. Seine frühesten Darlegungen, Selbst-Erforschung und Wer bin ich?, sind nicht verschieden in ihrer Lehrmeinung von denen, die er in Worten in seinen letzten Jahren gab. Als er mit sechzehn Jahren seine Identität mit dem Absoluten erkannte, mit Dem, welches pures Sein ist und allem, was ist, zugrunde liegt, war dieses ein formloses, intuitives Wissen, dessen theoretische Implikationen erst später erkannt wurden. "Ich wusste noch nicht, dass es eine Essenz oder etwas unpersönliches Reales gibt, das allem zugrunde liegt und dass sowohl Gott als auch ich identisch damit sind. Später, als ich  in Tiruvannamalai der Ribhu Gita und anderen heiligen Schriften zuhörte, lernte ich all dieses und fand, dass die Schriften das analysierten und benannten, was ich intuitiv gefühlt hatte ohne Analyse und Benennung." Es war keine Frage von Meinungen, sondern von erkannter Wahrheit; das heißt, er wurde nicht überzeugt durch das, was er las, sondern erkannte einfach dessen Übereinstimmung mit dem, was er schon intuitiv wusste.

- Ramana Maharshi und der Pfad der Selbst-Erkenntnis,

Kap.9.

(Arthur Osborne)

 

     Bhagavan sagte oft, wir sollten die Ribhu Gita regelmäßig lesen und studieren. In der Ribhu Gita heißt es: "Jenes bhavana, 'Ich bin nicht der Körper, ich bin nicht das Gemüt, ich bin Brahman, ich bin alles', solle immer wiederholt werden, bis dieses der natürliche Zustand werde." Bhagavan saß jeden Tag bei uns, während wir Auszüge aus der Ribhu Gita rezitierten, welche die Wirklichkeit des Selbst beteuerten. Freilich sagte er, dass diese Wiederholungen nur eine Hilfe zur Selbst-Erforschung sind, doch sind sie eine sehr machtvolle Hilfe. 

     Durch dieses Methode des Praktizierens wird das Gemüt immer mehr auf die Wirklichkeit eingestimmt. Wenn das Gemüt durch diese Praxis gereinigt ist, wird es leichter, es an seine Quelle zurückzuführen und dort zu halten. Wenn jemand fähig ist, direkt im Selbst zu verweilen, braucht er keine solche Hilfen. Aber wenn dies nicht möglich ist, können einem diese Praktiken definitiv helfen.

- Der Berg-Pfad: Juni 93

Anamalai Swami - S. 52-53

 

     Einmal schenkte Sri Bhagavan Sampurnamma ein Exemplar der Ribhu Gita und bat sie, das Buch zu studieren. Als sie sich damit entschuldigen wollte, dass sie kein Wort davon verstehe, blieb Sri Bhagavan fest und bat sie, es dennoch zu lesen. "Es macht nichts, dass du es nicht verstehst", sagte er, "dennoch wird es dir zugute kommen."

     Auf diese Weise wurde Sampurnammas Leben, das alle Ursache hatte, voller Kummer und Leid zu werden aufgrund früher Witwenschaft und Kinderlosigkeit, verwandelt in eine aktive, von Spiritualität durchdrungene Lebensweise.

- Der Berg-Pfad: Juni 93

(Seite 103)

 

     "Ich hatte keine anderen Bücher gelesen als das Periapuranam, meine Bibel-Lektionen und ein wenig von Tayumanavar und Tavaram. Meine Vorstellung von Gott (oder Isvara, wie ich die unendliche, aber persönliche Gottheit nannte) war ähnlich der, die ich in den Puranas fand. Ich hatte damals noch nicht von Brahman, samsara usw. gehört. Ich hatte keine Ahnung, dass es eine Essenz oder Unpersönliche Wirklichkeit gab, die allem zugrunde lag, und dass ich selbst sowie Isvara damit identisch waren. Als ich in Tiruvannamalai die Ribhu Gita und andere Werke hörte, nahm ich diese Fakten auf und entdeckte, dass diese Bücher das analysierten und benannten, was ich zuvor intuitiv gespürt hatte, ohne Analyse und Namen. In der Sprache der Bücher sollte ich meinen mentalen oder spirituellen Zustand nach dem Erwachen beschreiben, als suddha manas oder vijnana, d.h. die Intuition des Erleuchteten."

     Swami pflegte sehr freundlich zu sein zu allen lebenden Wesen, und sie waren sehr offen mit ihm. Swamiji gab uns oft die Ribhu Gita zu lesen.

-Selbst-Verwirklichung,

(B.V. Narasimha Swami)